Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde
Foto: Andreas Meichsner
Foto: Andreas Meichsner

Bundesarchiv, Berlin-Lichterfelde

Licht verbindet

Licht verbindet Architektur, Menschen und im Fall des Bundesarchives sogar Vergangenheit mit Gegenwart.

An deutschlandweit insgesamt 23 Dienstorten werden hier im staatlichen Auftrag historische Zeugnisse des Bundes gesichert – wichtige Bestände, die gemäß Prof. Dr. Michael Hollmann, dem Präsident des Bundesarchivs, „das Gedächtnis unserer Gesellschaft ausmachen“.

Nach Abschluss der Bauarbeiten im August 2021 am Berliner Standort an der Finckensteinallee in Lichterfelde, wurden dem Bundesarchiv ein neues Magazingebäude und zwei umgebaute, energetisch sanierte Bestandsgebäude übergeben.

Die Aufgabe der Lichtplanung bestand unter anderem darin, eine gestalterische Verbindung zwischen dem rückwärtigen Magazinneubau und dem straßenzugewandten Altbau Nummer 906 zu schaffen.

Andreas Meichsner

Foto: Andreas Meichsner

Ort

Finckensteinallee 63, 12205 Berlin-Lichterfelde

Magazinneubau

Braunfels Architekten

Bestandsumbau

Maedebach & Redeleit Gesellschaft von Architekten mbH

Innenraumgestaltung

Thomas Baecker Architekten

Lichtplanung

Jan Blieske
(Entwurfsplanung: Dinnebier Blieske Gbr | Ausführungsplanung: Blieske Architects Lighting Designers)

Projektleitung mawa

Aleksej Uthé (Pendelleuchten)
François Locher (Reflektordecke)

Fotografie

Jan Bitter
Andreas Meichsner
mawa

Leistungsumfang

Mgazinneubau:
64 × zylinderförmige Pendelleuchten aus gerolltem Metallgewebe mit Stützkorsett und unsichtbare Verbindung am Stoß;
Lichttechnik: engstrahlende seventies downlights Aufbauleuchte se-23
spot 13°

Bestandsgebäude Nr. 906:
64 × Deckenreflektorfeld
1 × Leuchtenträger
12 × se-11

Der nach dem Archivar Ernst Posner benannte Magazinneubau wurde im Zuge des ersten Bauabschnittes von Juni 2007 bis November 2009 errichtet,  steht straßenabgewandt im Zentrum des Geländes und beherbergt den Eingangsbereiches mit großem Empfangstresen.

Die darüber befindliche Lichtskulptur, bestehend aus 64 zylinderförmigen Pendelleuchten, füllt das Volumen des Raumes, betont die Gestaltung des Tresens und ist durch die Glasfassade weithin sichtbar, so dass sie zur Orientierung der Nutzenden beiträgt.

Die Gestaltung der Zylinder begründet sich auf der Idee des Lichtplaners Jan Blieske, eine repräsentative Leuchte zu entwickeln, die eine moderne Haltung transportiert, als Lichtobjekt wirkt und trotzdem eine gewisse Leichtigkeit durch Transparenz vermittelt.

Foto: Jan Bitter
Foto: Andreas Meichsner

Die erste Herausforderung bestand darin, das relativ starre Metallgewebe rund zu biegen und an den Stößen zu verbinden. Zunächst wollte man die Schussfäden wechselseitig zurückschneiden und miteinander verweben. Doch das erreichte die Grenzen des Machbaren, so dass schlussendlich transparente Acrylringe zum Einsatz kamen, um die Form stabil zu halten.

Die Leuchten an der Decke zu befestigen war die zweite Herausforderung. Die akustisch wirksame Abhangdecke eignete sich nicht dazu Lasten abzutragen. Deshalb wurde eine spezielle, ringförmige Metallkonstruktion entwickelt, die an der Rohdecke befestigt wurde. Auf dieser befinden sich Gewindestäbe, die aus der Akustikdecke herausragen, um die Abhänger der Pendelleuchten fixieren zu können.

Foto: mawa

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Foto: Jan Bitter

Im zweiten Bauabschnitt von 2014 bis 2021 wurde das sogenannte Öffentlichkeitszentrum im Erdgeschoss des Magazines mit dem beschriebenen Empfangstresen fertiggestellt
und die angrenzenden Bestandsbauten saniert.

Schaut man heute vom Empfang hinüber zum Bestandsbau 906, fällt der Blick unmittelbar auf die Decke des sogenannten Verteilerraumes im Obergeschoss, wo sich die Ausgabe des Archives befindet.

„Wie kann man mit der Decke umgehen, so dass daraus ein Signet wird, das man von unten sofort sieht und in Bezug zur ringförmigen Leuchter-Struktur über dem Eingangstresen steht?“, fragte sich Jan Blieske.

Hinzu kam, dass das Treppenhaus über einen sehr breiten Treppenaufgang und über einen entsprechend großen Ausschnitt verfügte. Würde man an der Decke Leuchten montieren, müsste man zu Wartungszwecken immer eine Rüstung aufstellen.

Deshalb dachte sich der Lichtplaner, „wie wäre es, stattdessen eine Reflektorfläche zu entwickeln, die von unten repräsentativ wirkt und gleichzeitig vermeidet, dass man hochklettern muss.“

Dieser Gedanke gefiel auch den Verantwortlichen von BBR und Bundesarchiv und wurde schnell zum überzeugendsten, finanziell besonders relevanten Argument für die Gestaltung einer so außergewöhnlichen Decke.

Foto: Jan Bitter
Foto: mawa

Im Entwurfsprozess setzte sich das Lichtplanerteam aber nicht nur mit Lichtlenkung und Wartung auseinander, sondern auch mit der Installation an der Decke.

Die Idee bestand darin, die Lamellen in Gruppen auf segmentierte Platten vorzumontieren, damit sie nicht einzeln angebracht werden müssen.

Das puzzleähnliche Ineinanderfügen der Segmente mit einem Maß von circa 1,00 x 1,50 m war allerdings aufgrund der rautenförmigen Lamellen relativ komplex und Stoßstellen sollten nicht zu sehen sein. Lösungen für Fragen der Produktion, Anlieferung und Montage zu finden war überaus anspruchsvoll, ebenso wie die Suche nach einem Hersteller.

mawa hat mit uns und für uns schon etliche Projekte realisiert, die extrem anspruchsvoll waren, was die gemeinsame technologische Entwicklung anging. Von daher wussten wir, mawa verfügt über die Fertigungstechnik, die dafür notwendig ist – nicht nur als reiner Leuchtenhersteller.

Das Unternehmen ist dazu in der Lage, mehr zu machen, als nur eine Leuchte zu produzieren, sondern kann mit seiner Frästechnik auch eine ganze Reflektordecke herstellen

Jan Blieske

Die Herausforderungen dieses Projekt-bestandteiles waren sehr vielfältig. Unter anderem galt es extrem geringe Montagetoleranzen einzuhalten. Die Deckenfläche musste besonders eben ausgeführt und die Reflektorsegmente absolut horizontal montiert werden.

„Schwierig war nicht nur die Montage selbst, sondern auch der Transport vom Werk ins Gebäude, auf die Rüstung, an die Decke und die damit verbundene Handhabung der filigranen Bleche“, bestätigt Daniel Frey, Konstruktionsleiter bei mawa.

Den achtsamen Umgang und die akkurate Montage stellte mawa mit eigenem Personal sicher.

Foto: mawa
Foto: mawa

Beiden Individualanfertigungen gemein sind nicht nur fertigungsbezogene Herausforderungen oder das metallische Funkeln, sondern auch die Lichtquelle als solches. Sowohl im Neubau als auch im Bestand liegt die Leuchtenserie »seventies« zu Grunde.

Stromschienengebunden strahlt sie von unten gegen die Reflektordecke.

In die Pendelleuchten über dem Empfangstresen wurde sie geschickt integriert und mit einer besonderen Oberfläche versehen.

Mehr als 10 Jahre hat Jan Blieske dieses Projekt begleitet.

Als außergewöhnlich beschreibt er das Spannungsfeld von Neubau und historischem Gebäude und einer Lichtplanung, die alles wie eine Spange zusammenhält.

Erfahren Sie mehr zu Hintergründen, Entwurfsprozessen und zur Geschichte des Hauses im ausführlichen Pressebericht in Ausgabe 1 der LICHT 2024.

Foto: mawa